Dr. Friedrich Jacobs

Wegbereiter der modernen Geburtshilfe und Kinderheilkunde in Berlin-Lichtenberg, Opfer nationalsozialistischer Verfolgung

Geboren 11. Mai 1889 in St. Petersburg/Rußland
Gestorben 01. November 1964 in Maidenhead/Großbritannien

Die Familie Jacobs, eine Kaufmannsfamilie, hatte sich im 19. Jahrhundert im russischen St. Petersburg niedergelassen. Ihrer Herkunft nach galten sie als „Reichsdeutsche“. Aus diesem Grund mussten sie nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges im Jahr 1914 auch das Land verlassen. Über Finnland kehrten sie nach Deutschland zurück. Auch wenn der Namen darauf zu verweisen scheint, war die Familie nicht jüdischer Herkunft. Heute würde man sagen, sie gehörten zum Bildungsbürgertum. Ausdruck dessen war auch ein Salon, den sie in St. Petersburg betrieben und auch in Berlin weiterführten. Dort wurde klassische deutsche Literatur aber auch Shakespeare gelesen. In dieser aufgeklärten, modernen Umgebung wuchs Friedrich Jacobs auf.

Seine Kindheit verbrachte er in St. Petersburg, das Studium führte ihn nach Deutschland, damals ein internationales Zentrum der medizinischen Wissenschaft und Forschung. Friedrich Jacobs studierte in Berlin und erlangte 1913 in Straßburg seine Approbation und Promotion. An der Straßburger Universitätsklinik absolvierte er auch seine Assistenzzeit.

In den Jahren 1913/14 war er Arzt am Pharmakologischen Institut Göttingen, arbeitet in einem Flüchtlingskrankenhaus in Königsberg sowie in der Privatklinik des angesehenen Gynäkologen Prof. Straßmann. In der Zeit des 1. Weltkrieges von 1914 bis 1918 hatte Dr. Jacobs eine Stelle als Assistenzarzt an der Frauenklinik der Charité in Berlin bei Prof. Baum und in den Jahren von 1918 bis 1920 arbeitete er als Arzt an der Brandenburger Frauenklinik und Hebammenanstalt Neukölln unter Prof. Hammerschlag.

An das Städtische Krankenhaus von Lichtenberg kam Dr. Jacobs 1920 als Stationsarzt. Hier wurde er dann im Jahr 1924 Dirigierender Arzt der neugegründeten Entbindungsanstalt. 1925 erhielt er den Status eines Beamten auf Kündigung.

Auch im Krankenhaus in Lichtenberg, in dem es bis zum Ende des 1. Weltkrieges keine Entbindungsstation gab, hatte ein Umdenken eingesetzt. Nicht nur der starke Anstieg der Geburtenzahlen war dafür ausschlaggebend, sondern auch bei vielen jungen Frauen hatte ein Wandel in den Lebensanschauungen eingesetzt. Man rückte mehr und mehr von den Hausgeburten ab, weil die Entbindung in einer Klinik die Bedingungen für eine risikofreie Geburt verbesserten. Gerade in einem Arbeiterbezirk wie Lichtenberg waren die Wohnverhältnisse oftmals hygienisch ungenügend für eine Geburt zu Hause.

Unter der Leitung von Dr. Friedrich Jacobs entwickelte sich die Entbindungsklinik in Lichtenberg zur drittgrößten in Berlin (Sophie-Charlotte-Str. und Virchow-Klinikum waren größer). Die erste Entbindungsstation war im Isolierpavillon III im dritten Obergeschoss untergebracht. Sie wurde am 1. April 1920 eingeweiht und verfügte über 12 Betten für Mütter und Neugeborene. Bereits im ersten Jahr erblickten hier 458 Babys das Licht der Welt, im Jahr darauf waren es 612 und im Jahr 1928 1.216.

Dr. Jacobs, der einen großen Anteil an dieser positiven Entwicklung trug, plante die Erweiterung der Klinik für Geburtshilfe auf 130 Betten. Der 1927 begonnene Neubau fiel allerdings der Wirtschaftskrise zum Opfer. In dieses Gebäude zog dann 1932 das Städtische Kinderkrankenhaus Lichtenberg ein.

Bereits im Jahr 1914 hatte Dr. Jacobs geheiratet. Seine Frau Toni, geborene Cohn, hatte er auf der Universität kennengelernt, wo sie ebenfalls Medizin studierte. Die Hochzeit fand in Königsberg statt. Toni Jacobs war ihrem Mann gefolgt und arbeitet in einer eigenen Praxis als Kinderärztin. Seit 1926 waren sowohl die Wohnung als auch ihre Praxis in der Möllendorffstr. 7-8 und von 1931 bis 1936 praktizierte sie in der Frankfurter Allee 230. Als Jüdin wurde ihr 1933 die Kassenzulassung entzogen und im Jahr 1938 wurde schließlich ihre Approbation aberkannt.

Das seine Frau Jüdin war hatte auch für Friedrich Jacobs ernsthafte Folgen. Gegen ihn wurde am 28. Juli 1933 eine vorläufige Amtsenthebung verfügt, der am 7. März 1934 seine Dienstentlassung folgte. Er hatte sich geweigert sich von seiner Frau zu trennen. Damit begann für die Familie eine Zeit permanenter Bedrohung und Unsicherheit. Durch den Verlust der Arbeit und der Zulassung konnte an eine neue Praxis nicht gedacht werden. Dr. Jacobs kam an einer Privatklinik in Charlottenburg unter. Dorthin, in die Prager Str. 36, zog 1936 auch die Familie mit den inzwischen vier Kindern.

Kurz vor der Reichsprogromnacht 1938 hatte die Familie beschlossen die Kinder außer Landes zu bringen. Großbritannien nahm trotz anfänglicher Zurückhaltung die Kinder deutscher Juden auf. So kamen die vier Kinder der Familie Jacobs in den Jahren 1938/39 dort unter. Das Ersuchen der Eltern um Einwanderung nach England wurde jedoch abgelehnt. Der Kriegsbeginn 1939 verhinderte auch eine Ausreise nach Norwegen, obwohl im Sommer des Jahres alle Papiere vorhanden waren. So blieben Friedrich und Toni Jacobs in Deutschland. 1942 verloren sie durch einen Bombentreffer auch ihr restliches Hab und Gut. Das Kriegsende erlebten sie im zerstörten Berlin in wechselnden Unterkünften.

Nach Kriegende berief der neue Magistrat von Berlin Dr. Friedrich Jacobs am 22. Juli 1945 zum neuen Ärztlichen Direktor des Oskar-Ziethen-Krankenhauses, wie das Städtische Krankenhaus Lichtenberg nun hieß. Die Kriegshandlungen hatten es in starker Mitleidenschaft gezogen, so dass eigentlich zwei Aufgaben gleichzeitig gelöst werden mussten, der Wiederaufbau und die Sicherung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Dieses schwierige Amt übte Dr. Jacobs bis zum März 1948 aus.

Im März 1948 siedelten die Jacobs nach England über. Der Hauptgrund dafür war sicherlich die lange Trennung von den Kindern. Diese hatten inzwischen in England eine Ausbildung abgeschlossen und hatten nicht die Absicht nach Deutschland zurückzukehren. Aber auch die Nachkriegsverhältnisse trugen dazu bei. Die sowjetischen Besatzungsbehörden hatten den Wunsch nach einer Familienzusammenführung verhindert. Hinzu kamen aus der Zeit vor 1945 belastete und noch immer tätige Ärzte, die Dr. Jacobs Wunsch Deutschland für immer zu verlassen nur noch bestärkten. Praktisch über Nacht erhielt die Familie die Ausreiseerlaubnis. Nur mit zwei Koffern ohne jegliche finanzielle Guthaben oder Barvermögen reisten sie nach England ein. Dementsprechend schwierig gestalteten sich die ersten Jahre in der neuen Heimat.

Dr. Jacobs arbeitete nie wieder als Arzt. Bis zum September 1947 hatte einwandernde Ärzte in England ohne Probleme eine Zulassung bekommen. Er war ein halbes Jahr zu spät gekommen. Zwei Wochen nach seiner Ankunft erlitt er einen Nervenzusammenbruch, von dem er sich nur schwer erholte. Die englischen Gesetze und unzureichende Sprachkenntnisse verhinderten so das Anknüpfen an frühere Erfahrungen. Dieses Schicksal teilte er mit vielen anderen Auswanderern.

Im Foyer des heutigen Eltern-Kind-Zentrums im Sana-Klinikum-Berlin, an Dr. Jacobs früherer Wirkungsstätte, wurde am 9. Oktober 2014 eine Gedenktafel enthüllt, die an diesen großartigen Arzt und Menschen erinnert.

Foto: privat S. Jacobs

Quellen:
Michael Laschke, Das Oskar-Ziethen-Krankenhaus Berlin-Lichtenberg, Leipziger Universitätsverlag GmbH, 2003

Text der Ausstellung des Museums Lichtenberg im Sana Klinikum: „Das Arztehepaar Dr. Toni und Dr. Friedrich Jacobs“
Wegbereiter der modernen Geburtshilfe und Kinderheilkunde in Berlin-Lichtenberg, Opfer nationalsozialistischer Verfolgung

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